Zeit, die wir uns nehmen,
ist Zeit, die uns etwas gibt


Zeitreise ins Mittelalter

Die Hintergründe
Handwerker bieten ihre Waren feilSuchen Sie noch ein Hobby für die ganze Familie? Etwas, wo man in frischer Luft sein kann, nette Menschen trifft und sich auch weiterbilden kann?

Dann ist die Zeitreise ins Mittelalter, die immer mehr Menschen jedes Wochenende antreten, genau das Richtige für Sie. Reenactment des Mittelalters ist der gebräuchliche Begriff für das detailgetreue Nachstellen historischer Schlachten und dem dazu gehörenden Leben des Trosses von Mägden, Adligen... usw.

Das Mittelalter erstreckt sich ungefähr vom Untergang des weströmischen Kaisertums 476 bis zum Zeitalter der Renaissance in der Mitte des 15. Jahrhunderts bzw. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. Seit dem 19. Jahrhundert ist es im deutschsprachigen Raum üblich, das Mittelalter grob in drei Phasen zu gliedern:
  • Frühmittelalter (Mitte 6. Jahrhundert bis Anfang 11. Jahrhundert)
  • Hochmittelalter (Anfang 11. Jahrhundert bis ca. 1250)
  • Spätmittelalter (ca. 1250 bis ca. 1500)
Die vorherrschende Gesellschafts- und Wirtschaftsform ist der Feudalismus. Grundzüge des Mittelalters sind die nach Ständen geordnete Gesellschaft, die gläubig christliche Geisteshaltung in Literatur, Kunst und Wissenschaft, Latein als gemeinsame Kultur- und Bildungssprache, die Idee der Einheit der christlichen Kirche und ein recht einheitliches Weltbild.

MagdIm Gegensatz zu den in Hollywood romantisierten Vorstellungen des Rittertums, versuchen die Darsteller auf Mittelalterveranstaltungen die wahren Zustände zu zeigen. Dazu gehört, dass die Adligen in der Minderzahl sind und die Mehrheit der Bevölkerung Dienende, Handwerker, Bauern oder Städter waren.

Natürlich ist es den Menschen unserer Zeit nicht möglich, die tatsächliche Mühsal oder die wahren Gedankengänge nachzuempfinden, die das Leben der Menschen im Mittelalter bewegten. Dazu hinterfragt der moderne Mensch zu viel. Außerdem ist die Zeitreise jedes Mal nur auf ein Wochenende beschränkt.

Dennoch kann man auch an diesen wenigen Tagen Teilaspekte einer längst vergangenen Zeit erleben, die weitab von jedem Ritterturnier im Stil von König Artus-Sagen liegt. Wer sich auf das Abenteuer Zeitreise einlässt, erfährt zum Beispiel, dass die Menschen früher ganz ähnliche, alltägliche Probleme, Sorgen, Aufgaben und Freuden hatten wie heutige Familien. Das Einzige, was damals wirklich ganz anders war als heute, ist das Verhältnis zur Zeit, denn nicht die Uhr sondern die notwendigen Aufgaben jedes Einzelnen bestimmten den Tagesablauf.

Real zu sehen
Kleidung wird handgenähtIch hatte das Glück, ein echtes Mittelalterevent in unserer Kreisstadt Goslar (Niedersachsen, zwischen Göttingen und Hannover) mitzuerleben. Dabei erfuhr ich auch, dass Mittelalterveranstaltungen sehr unterschiedlich sein können. Den herkömmlichen Mittelaltermarkt, der häufig in historischen Altstädten aufgebaut wird und bei dem man an jeder Ecke Bratwurststände und Verkaufswaren aus aller Herren Länder findet, hat absolut nichts gemein mit den nach Authentizität strebenden Darstellern eines echten Mittelalterevents.

Wer die Zeitreise ins Mittelalter als Hobby betreiben möchte, recherchiert in der Regel recht lange in Bibliotheken, im Internet und bei entsprechenden Vereinen, in welcher Epoche er "leben" möchte. Wenn er sich für eine Epoche, eine Region und eine historische Person bzw einen belegbaren Personenkreis entschieden hat, wird er versuchen herauszufinden, welche Kleidung benötigt wird, um diese Person glaubwürdig darstellen zu können. Dann geht es daran, ein passendes Kostüm selbst zu erstellen. Dabei ist es sehr Vielen wichtig, nur alte Techniken z. B. im Stoffe färben anzuwenden. Die Nähmaschinen und andere Errungenschaften oder Hilfsmittel beim Herstellen des Kleidungsstückes sind selbstverständlich tabu. Auch darin unterscheiden sich die "echten" Mittelalterdarsteller von den oft kommerziellen Schaustellern.

Wer seine Figur und seine Kleidung authentisch recherchiert hat, kann sich einem Verein anschließen und durch diese Verbindung zu Mittelalterveranstaltungen eingeladen werden. In der Regel wird dabei in historisch nachempfundenen Zelten (ohne Schlafsack, Kosmetikbeutel und Thermoskanne!) übernachtet. Die Darsteller leben während des Wochenendes nur mit den Dingen, die es auch in der Zeit gab, die sie darstellen. Das bedeutet u. a. auch, dass das Essen keine Tomaten, Kartoffeln oder moderne Gewürze enthält, da diese Zutaten erst viel später in Deutschland eingeführt wurden. Wie ich mich jedoch selbst überzeugen konnte, schmeckt auch mit Rosinen und Honig gewürzter Hirsebrei erstaunlich lecker. Auch gegrilltes Fleisch oder Fisch standen und stehen auf dem Speiseplan.

Die meisten Mittelalterevents finden statt, um historische Schlachten oder Scharmützel nachzustellen. Dies gilt noch stärker für England als für Deutschland. Doch auch wenn z. B. ein fränkisches Hochadelsgeschlecht wie die Salier in Goslar einen Jahrestag haben, werden Mittelalterfeste organisiert. In Goslar wurde das Franco-Flämische Kontingent nachgestellt. Dazu gehörte der "Blaue Haufen" mit Hunderten von Männern in Kettenhemden, aber auch sehr viele Frauen und Kinder als Mägde, adlige Damen oder Handwerkerinnen. Auf einem sehr schönen Gelände über den Dächern der Stadt hatten die Veranstalter 5 Zeitinseln, die die Zeiträume von 1024 bis 1480 hautnah darstellten, aufgebaut.

Wasser muss von einem Tankwagen geholt werdenÜbrigens können sich Männer und Frauen ihre Rolle nach Belieben aussuchen, jedoch bestimmen oft die Veranstalter bzw. die teilnehmenden Vereine, wie viele Menschen pro Gesellschaftsstand mitwirken können. So wird ein authentisches und realistisches Abbild der damaligen Gesellschaft gezeigt. Frauen und Männern stehen dabei alle Rollen offen. Es gibt kämpfende Frauen und nähende Männer, jeder wie er mag, solange die Kleidung und das Verhalten authentisch sind.

Und keine Sorge bezüglich Unterordnung oder Machtgehabe: Männer waren im echten Mittelalter weder die Lieder singenden und heldenhaft kämpfenden Ritter, die ihre Frauen nur zu Hause hielten, noch waren Frauen die unterwürfigen, schwer arbeitenden Dienerinnen ihrer Männer. Beide Geschlechter hatten ihr Päckchen zu tragen, wie man als Besucher schnell erfährt.

Die Frauen waren fast ganztägig mit dem Zubereiten der Speisen und dem Herstellen der Gewänder beschäftigt. Kindererziehung war damals wie heute Sache der Frauen. Die Männer hingegen mussten häufig bereit sein, in den Armeen zu dienen und zwar neben ihrem eigentlichen Beruf. Der Begriff Spießbürger (Bürger, die wehrhaft mit dem Spieß die Stadt verteidigten) stammt aus dieser Epoche.

Strümpfe für Frauen Auch schwere Arbeiten im Haus wie Wasser holen und Holz hacken, mussten die Männer erledigen. Wer einmal ein Kettenhemd eines Söldners hochhebt (es wiegt gut 20 Kilo) überlegt es sich vielleicht doch, ob ein Leben im Haus nicht vielleicht doch angenehmer wäre.

Egal wie das Wetter auch sein mag, die Rolle muss beibehalten werden. Das bedeutet u. a., dass Frauen ihre Haare nicht zeigen dürfen. Die Tücher, die sich die Darstellerinnen, selbst im Hochsommer, um die Köpfe winden, haben jedoch auch Vorteile, denn Haare waschen ist in einem Zeltlage eher kompliziert und der Geruch der ständig qualmenden Feuer bleibt so auch nur am Tuch und nicht in den Haaren hängen.

Die Kleidung beider Geschlechter war für heutige Verhältnisse sehr warm, da sie hauptsächlich aus Wolle bestand. Gewänder aus Leinen konnten sich im Mittelater nur reiche Adlige leisten. Unterwäsche war weitgehend unbekannt und Strümpfe inklusive Lederstrumpfband gehörten bei Mann und Frau zum Standard. Hosen für Männer waren zur Zeit des Mittelalters ebenfalls noch nicht erfunden. Der Mann trug zwei Beinlinge, die er an einem unförmigen Untergewand befestigte.

Hier sehen Sie einige Impressionen vom Mittelalterevent in Goslar.
(Java Script muss aktiviert sein)
  • Entweder können Sie alle Bilder hintereinander in einer Diashow betrachten (Etwas Geduld bitte, da manchmal erst im zweiten Durchgang Bilder zu sehen sind)
  • oder sie unten einzeln zum Vergrößern anklicken. Vergrößerte Bilder können in der linken oberen Ecke angefasst und verschoben werden.

Mittelalter

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Dieser Artikel wurde vom Webmaster
nach bestem Wissen und Gewissen verfasst.
Infospalte Mittelalter als Hobby


Wie fange ich an?
Wie ich bei Gesprächen mit verschiedenen Darstellern während des Goslarer Events feststellen konnte, haben fast alle damit begonnen, sich in die Zeit des Mittelalters einzulesen. Viele haben eine Vorbildung im Bereich Archäologie, doch auch andere Berufe sind vertreten. Akademiker sind dabei in der Überzahl.

Der Wille, auch Zeit und Energie für das Hobby zu investieren ist bei den Darstellern sehr ausgeprägt. Fast immer wird die Familie mit in das Hobby einbezogen. Doch die Darsteller legten Wert darauf, nicht als Spinner angesehen zu werden. Es ist und bleibt ein Hobby für die Freizeit. Von Montag bis Freitag sind alle wieder ganz normale, hart arbeitende Deutsche in einem normalen Beruf und mit einem normalen sozialen Umfeld.

Zu Beginn ihres Hobbies forderten sie in Bibliotheken Bücher mit nachweislich authentischen Bildern und Funden an und sprachen auf Mittelalterevents intensiv mit den bereits Aktiven. Ein guter Einstieg sind auch Museumspädagogen, da sie selbst oft auch Reenacter sind. Danach begannen sie ihre eigene Kleidung in Handarbeit herzustellen. Viele erkannten gleich am Anfang, dass es einfacher ist, erst einmal eine einfache Magd darzustellen, da die Kosten für die notwendigen Kleidungsstücke geringer und einfacher zu fertigen sind.

Bewährt hat sich auch die enge, teils nur über das Telefon oder Internet zustande gekommene, Beziehung zu Gleichgesinnten, die bereits mehr Erfahrung hatten. Denn es gibt viele Stolperfallen und wer nicht authentisch angezogen ist, wird bei den "echten" Mittelalterveranstaltungen nicht recht ernst genommen.

Der Anschluss an einen Verein, der sich im Gegensatz zu den herkömmlichen Kegel- und Sportvereinen, oft aus Mitgliedern aus ganz Deutschland rekrutiert, ist in jedem Fall sinnvoll, da es sonst nicht ganz einfach ist, zu Veranstaltungen eingeladen zu werden. Alle Auftritte bei Veranstaltungen werden in der Regel nicht bezahlt, lediglich Fahrtkosten werden manchmal erstattet. Die Zeitreise in die Vergangenheit ist also ein nicht ganz billiges Vergnügen.

Hilfreiche Links im Internet
Verein für lebendige Archäologie
www.ars-replika.de

authentische Kleidung und Zubehör
www.leben-und-handwerk.de

Darstellung der Zivilbevölkerung, die zwischen 1375 und 1425 in Hamburg gelebt hat:
www.elvelueuet-hamborch.de/

Links von Mittelaltergruppen:
www.mittelalter-handwerk.de/links_gruppen.htm

Veranstalter von Mittelalterevents:
www.rete-amicorum.de

Interessengemeinschaft zur historischen Nachempfindung des hohen Mittelalters:
www.igwolf.net/

Umsetzung der alltäglichen Lebenssituation von stadtgesessenen Ministerialenfamilien sowie städtischen Handwerkern:
www.familia-ministerialis.de

Tipps für authentische Kleidung:
www.aufgebot1474.de/ (auf Statuten klicken)

Wer mehr wissen will, kann versuchen bei Google die Begriffe "reenactor mittelalter" einzugeben. Bei knapp 800 Ergebnissen ist sicher für jeden etwas dabei. Und wer sich länger damit beschäftigt, weiß intuitiv, welches Internetangebot authentisch ist und welches nicht (zumindest meinte dies eine Darstellerin beim Goslarer Mittelalterevent)
Meine persönlichen Eindrücke und Tipps
Am meisten hat mich die Freundlichkeit und Offenheit der Darstellenden beeindruckt. Jeder kennt jeden von irgendwelchen Veranstaltungen. Sogar Teilnehmende aus den europäischen Nachbarländern haben sich eingefunden. Voraussetzung für diese Hobby ist allerdings eine Ernsthaftigkeit im Bemühen um Authentizität sowie der Spaß daran, handwerklich zu arbeiten, sei es mit Nadel und Faden, mit Leder oder Holz. Denn einen Großteil ihrer Zeit, auch während einer Veranstaltung, verbringen die Akteure mit dem Herstellen von Kleidung und Zubehör für eine realitätsnahe Darstellung mittelalterlichen Lebens.

Ob bei der Herstellung von Kleidung und Zubehör oder der Präsentation des Lebens im Mittelalter wirklich alles bis ins kleinste Detail authentisch ist oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Einige Damen hatten zugegeben, dass sie die Nähte, die man nicht sieht, schon mal mit der Maschine genäht hatten. Andere widerum legten Wert darauf, das alles so ist wie früher, auch wenn das Tragen eines Kleides gänzlich ohne Unterwäsche auf einer Großveranstaltung schon etwas Überwindung kostet. Eine Darstellerin meinte, dass es auf die eigene Einstellung zum Hobby ankommt. Will man sich auf das Abenteuer Mittelalter einlassen oder einfach nur mal ein wenig schnuppern? Das muss jeder für sich alleine entscheiden.

Schön an diesem Hobby ist auch, dass man die Familie mit einbeziehen kann. Alle ziehen an einem Strang.

Bei vielen Veranstaltungen haben Besucher die Möglichkeit, sich das Leben des Mittelalters anzusehen. Das bedeutet dann aber auch für die Darstellenden eine gewisse Bereitschaft, sich zu präsentieren, denn Besucher möchten natürlich alles bis ins kleinste Detail fotografieren und zwar zu jeder Zeit und in jeder Situation. Wer das nicht mag, kann nur an Veranstaltungen teilnehmen, bei dem die Darsteller unter sich sind. Auch das gibt es ab und zu.

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Letzte Änderung dieser Seite erfolgte am 24.09.2006



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